KUNSTHAUS GMÜND

Gmünd in Kärnten ist ein über die Landesgrenzen strahlendes Beispiel dafür, wie kulturelles Engagement zur Nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen kann. Seit 1991 hat der Verein Kulturinitiative Gmünd, die 2023 als eine von 36 Gründungsstifterinnen in der Künstler:innenstadt Gmünd gemeinnützige Privatstiftung aufging, die mittelalterliche Stadt in ein lebendiges Zentrum für Kunst und Kultur verwandelt. Durch die Revitalisierung von über 20 leerstehenden Gebäuden entstanden Galerien, Ateliers und Ausstellungsräume, die heute das Stadtbild prägen.

Das jüngste Projekt – das Kunsthaus Gmünd –stellt in der Entwicklung Gmünds zur Künstlerstadt den jüngsten Höhepunkt dar. Ein leerstehendes spätgotisches Haus am Hauptplatz 25 wurde zu einem modernen barrierefreien Museum umgestaltet und im Mai 2025 für die Öffentlichkeitzugänglich gemacht.

Architekturvideo © Trecolore | Martin Gfrerer

ARCHITEKTUR
Moderner Museumsbetrieb in den Mauern eines mehr als 700 Jahre alten Gebäudes

Der barocke Stadtturm war bisher aufgrund fehlender Barrierefreiheit, mangelnder Klimatisierung und weiterer infrastruktureller Einschränkungen als Ausstellungsort der Stiftung nur bedingtgeeignet. Dennoch entwickelte er sich dank hochkarätiger Präsentationen –insbesondere Druckgrafiken international renommierter Künstler wie Dürer, Goya, Miró, Matisse, Turner, Picasso und Chagall – zu einem Besuchermagneten. Verständlich, dass man sich nach besser geeigneten Räumlichkeiten sehnte.

Mit dem seit Jahren leerstehenden Gebäude am Hauptplatz 25 hat die Kulturinitiative Gmünd – die zu Projektbeginn in die Künstler:innenstadt Gmünd gemeinnützige Privatstiftung übergeführt wurde – ein neues Zuhause gefunden. Das historisch bedeutende Bauwerk wurde im Herbst 2022 von Hans Peter Haselsteiner erworben, der über die Haselsteiner Familien-Privatstiftung auch den Umbau maßgeblich finanzierte.

Fotos: Julia Schuster

Die „schlafende Schönheit wachküssen“

Im Gegensatz zum klassischen Neubau, der vor allem vom Entwurf des Neuen lebt, liegt die Herausforderung beim Umbau historischer Bausubstanz in der sensiblen Annäherung: im präzisen Lesen der vorhandenen Strukturen, im Aufspüren verborgener Qualitäten – und nicht zuletzt in der Kunst, dem Bestehenden eine neue, zeitgemäße Stimme zu verleihen. Beim „Lax-Haus“ stand damit nicht das Erfinden, sondern das Wiederentdecken im Mittelpunkt. Die poetische Leitidee: „die schlafende Schönheit wachzuküssen.“

Leitgedanke sämtlicher Entwurfsüberlegungen war es, die neuzeitlichen Einbauten vollständig zu entfernen, um den historischen Kern des Bauwerks freizulegen und zugleich jene räumliche Großzügigkeit zu schaffen, die ein zeitgemäßer Ausstellungsbetrieb erfordert. Dabei galt es, alle erforderlichen Maßnahmen, Anpassungen und Ergänzungen am Bestand so zu definieren, dass die angestrebte Nutzungsänderung im Einklang mit den funktionalen und gestalterischen Anforderungen möglich wurde.

Bei der Umsetzung war eine sorgfältige Abstimmung unterschiedlichster Anforderungen zu berücksichtigen und in ein stimmiges Gesamtkonzept zu integrieren: Die Vorgaben und Auflagen des Denkmalschutzes mussten ebenso beachtet werden wie die baurechtlichen Rahmenbedingungen, die Erfordernisse der Barrierefreiheit, die brandschutztechnischen Bestimmungen sowie die technischen Anforderungen an eine zeitgemäße Klimatisierung – wie selbstverständlich auch sämtliche weiteren einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und Normen in ihrer Gesamtheit.

Fotos: Martin Gfrerer, Trecolore; Julia Schuster

Raumprogramm / Nutzung

Die Ausstellungsräume mit einer Gesamtfläche von 400 Quadratmetern verteilen sich auf den ersten und zweiten Stock. Im Erdgeschoss befindet sich der Kassenbereich mit dem Museumsshop, sowie der Zugang zu einem 60 Quadratmeter großen Innenhof, der wie das Foyer mit alten Platten aus Pörtschacher Marmor gepflastert ist. Die Platten stammen aus zahlreichen Restbeständen und entfalten durch die vollflächige Verlegung ihre besondere Schönheit. Der Hof ermöglicht mit dem Aufzug nicht nur die barrierefreie Erschließung, sondern beherbergt auch das erste von drei „Kunst am Bau“-Projekten: ein lebensgroßes Bronzepferd der Wiener Künstlerin Judith Wagner.

Ein weiteres „Kunst am Bau“-Projekt ist die künstlerische Inszenierung des Entrauchungsschachts, der aus feuertechnischen Gründen vorgeschrieben war. Der italienische Künstler Aldo Giannotti hat diesen symbolisch als „Next Level“ gestaltet, indem er die historische Holztreppe in den Schacht hineinführt und so eine spannungsvolle Verbindung schafft. Im ersten Stock ist eine Leuchtkastenarbeit der Salzburgerin Irene Andessner zu sehen, die sich selbst als italienische Renaissance-Künstlerin Sofonisba Anguissola porträtiert, und damit als die erste Frau, die sich offiziell den Berufstitel „Malerin“ gab.

Im 1. Obergeschoss lädt eine Präsenzbibliothek mit einer umfangreichen Auswahl an Kunstbüchern – teilweise gestiftet vom Kunsthistorischen Museum Wien und dem Museum Moderner Kunst Kärnten – zum Schmökern und Verweilen ein. Ein Herzstück des neuen Kunsthauses bildet das Auditorium, ein bis in den Dachboden geöffneter Raum mit einem gotischen Pyramidenkamin, der wie eine Skulptur in Erscheinung tritt. Das Auditorium kann sowohl als Kino als auch für Vorträge genutzt werden.

Im Keller kann eine außergewöhnliche kulturhistorische Besonderheit besichtigt werden: die älteste in Österreich erhaltene Holzbalkendecke, die der dendrochronologischen Untersuchung der Schlagdaten für die verwendeten Hölzer zufolge um 1305 errichtet wurde.

Das Kunsthaus ist auch Sitz der Künstler:innenstadt Gmünd gemeinnützige Privatstiftung, weshalb es auch einige Büro- und Aufenthaltsräumlichkeiten für die Mitarbeiter:innen beherbergt.

Martin Gfrerer, Trecolore

Herausforderungen
Umbau und Sanierung eines über viele Jahrhunderte gewachsenen Gebäudes

Eine besondere Herausforderung bestand darin, die technische Ausstattung, die für einen modernen Museumsbetrieb erforderlich ist – etwa Vollklimatisierung, Barrierefreiheit, Sicherheitstechnik und Brandschutz – so in das Gebäudegefüge zu integrieren, dass sowohl die historische Substanz als auch der einzigartige Charakter des Hauses bewahrt bleiben. Die umfangreiche Technik sollte dabei möglichst unsichtbar bleiben. Deshalb war es notwendig, bereits in einer sehr frühen Planungsphase alle relevanten technischen Fachplaner einzubinden. Das Architekturbüro Trecolore Architects und der leitende Architekt DI Klaus Baumgartner orchestrierten sorgfältig die Koordination von der Konzeptentwicklung bis zur Fertigstellung.

Ein über viele Jahrhunderte gewachsenes Gebäude kennt keinen einzigen rechten Winkel, noch durchgehend waagerechte, ebene Flächen. Diesen organischen Unregelmäßigkeiten müssen auch die notwendigen Ergänzungen und Neueinbauten Rechnung tragen. Eine rein planliche Festlegung reicht hier nicht aus; stattdessen mussten vor Ort gemeinsam mit den ausführenden Handwerkern individuelle Lösungen entwickelt werden, sodass jede Intervention am Ende harmonisch und wie selbstverständlich wirkt.

Sobald man in ein solches Gebäude eingreift, treten täglich unvermutete Überraschungen zu Tage; Flexibilität, Kommunikation und guter Wille aller Beteiligten von Auftraggeber bis Handwerker waren für das gute Ergebnis gefragt.

Martin Gfrerer, Trecolore

Denkmalschutz
Lösungen auf Basis der fundierten Expertise des Bundesdenkmalamts in einemintensiven und konstruktiven Dialog

Schon in der ersten Konzeptionsphase für die Sanierung und den Umbau wurden auf die fundierte Expertise des Bundesdenkmalamts zurückgegriffen und in einem intensiven und konstruktiven Dialog mögliche Lösungsansätze erörtert. Für alle anstehenden Anforderungen, die eine Museumsnutzung erfordert, konnte, nach gemeinsamen intensiven Auseinandersetzungen mit der Thematik, mit kreativen Ansätzen gelöst werden.

Darüber hinaus ist es dem Bundesdenkmalamt zu verdanken, dass die überaus interessante Historie des Gebäudes erforscht und dokumentiert wurde. Ein umfassender Bauhistorischer Forschungsbericht zum Gebäude liegt vor, in dem es auszugsweise heißt:

Bürgerhäuser mit mittelalterlicher bis neuzeitlicher Bausubstanz sind in Gmünd in einer Fülle und Geschlossenheit erhalten, wie sie in Österreich nur selten zu finden sind. Die Stadt Gmünd zählt daher zu den bedeutendsten Stadtdenkmalen des Landes. Jedes einzelne dieser Gebäude ist in seiner Individualität wertvoll für das Gesamtensemble. Aus diesem Grund hat das Bundesdenkmalamt das bereits seit 1941 unter Denkmalschutz stehende „Laxhaus“ im Jahr 2016 zusammen mit weiteren Objekten der Altstadt als Ensemble unter Schutz gestellt. 2017 ging das bisher im Familienbesitz der Familie Lax stehende Bürgerhaus in das Eigentum des Feldkirchner Internisten Dr. Alfred Markowitsch über, der es damit vor dem Verfall gerettet hat. Auf Initiative des Bundesdenkmalamts, insbesondere des zuständigen Referenten Dipl.-Ing. Jürgen Moravi, beauftragte der neue Besitzer im Oktober 2019 eine bauhistorische Untersuchung, die wertvolle Einblicke in die Geschichte des Hauses zutage gefördert hat.

Während die Besitzgeschichte des Hauses im Rahmen der aktuellen Forschungen lediglich bis 1754 zurückverfolgt werden konnte, erbrachte die dendrochronologische Untersuchung der Balkendecke im straßenseitigen Keller Datierungen für das verwendete Holz ins frühe 14. Jahrhundert. Gmünd wird bereits 1273 als im Besitz der Salzburger Erzbischöfe erwähnt; die von den Bauforschern Ronald Woldron und Christiane Wolfgang untersuchte Stadtmauer wird in die Zeit um 1240–1270 datiert. Bausubstanz aus dieser Gründungszeit ist im Bereich des Laxhauses jedoch nicht nachweisbar. Die älteste Bauphase besteht aus einem zweigeschossigen Baukörper von etwa 11 × 6 m, dessen Datierung durch die im Keller erhaltene originale Balkendecke gesichert werden konnte. Demnach entstand dieser frühgotische Kernbau um oder kurz nach 1305.

Bereits auf einem Kupferstich von JohannWeikhard von Valvasor (erstellt um 1689) ist das Laxhaus (Pfeil) zu erkennen. ©Johann Weikhard von Valvasor (gemeinfrei)

Im 15. und 16. Jahrhundert wurde das Gebäude schrittweise erweitert, Lücken zwischen Baukörpern geschlossen und eine große zweischiffige Gewölbehalle mit Mittelpfeiler und Serpentinit-Kapitel geschaffen. Spätere Anbauten gaben dem Hof seine heutige Form.

Zwischen 1625 und 1688 wurde das Gebäude um ein zweites Obergeschoß erweitert; gleichzeitig entstand im Hof ein zweischenkeliger Arkadengang. Die teilweise Überbauung der westlich angrenzenden Gasse erfolgte voraussichtlich gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Ein starkes Erdbeben im Jahr 1690 könnte ausschlaggebend für die Aufgabe der zweischiffigen Pfeilerhalle gewesen sein, indem dort eine Binnenmauer eingezogen wurde. Im 18. Jahrhundert erhielten zahlreiche Räume schlichte Stuckdecken. Beim großen Gmünder Stadtbrand von 1792 blieb das Gebäude jedoch vergleichsweise unversehrt. Die stilistische Einordnung der Stuckdecken sowie die dendrochronologische Datierung eines erhaltenen Dachstuhlrests deuten darauf hin, dass lediglich das Dach zerstört und im Anschluss neu errichtet wurde.

Im Jahr 1929 wurde das Erdgeschoß für zwei Geschäftslokale adaptiert und dafür zwei große Auslagenfenster in die Fassade gebrochen. Darüber hinaus entfernte man den über den Arkadengang zugänglichen Treppenaufgang in das zweite Obergeschoß im Nordosten des Vorderhauses, um im dadurch entstandenen Raum eine Küche einzurichten. Die weiteren Eingriffe des 20. Jahrhunderts sind gering und beschränken sich auf Adaptierungen für eine zeitgemäße Wohnnutzung und die Umgestaltung des Durchgangs zur überbauten Gasse an der Südfassade.

Quelle:Bauhistorische Untersuchung
Autoren: Oliver Fries MSc, Lisa-Maria Gerstenbauer BA, Mag. Klaus Berger,Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Michael Grabner

Projektbeteiligte Unternehmen

• Architektur: Trecolore | Architects of integrated solutions

• Baumeister: NPG-Bau Neuschitzer GmbH

• Bauaufsicht: Ing. Christian DROC GmbH

• Statik / Tragwerksplanung: VITRAG Ingenieure

• HKLS-Planung: Ing. W. Kranabether GmbH

• Elektroplanung: Ing. Bernd Staudacher

• Brandschutzplanung: AH Safety Engineering GmbH

• Holzbau: Ing. Georg Preiml

• Metallbau: Meschik Edelstahl

• Haustechnik: Ing. Eduard Klausner GesmbH

• Elektrotechnik: Pirker Elektrotechnik

• Trockenbau: Trockenausbau Weger GmbH

• Tischler: Tischlerei Bernhard Zeiner & Tischlerei Lagger-Graf